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Wie der Fleischtiger zum Pflanzenfresser wurde – Teil 1

von Alex

Hätte mir vor Jahren jemand gesagt, dass ich mal Vegetarierin sein würde, hätte ich ihn schallend ausgelacht. Hätte mir aber mal jemand gesagt, dass ich mal Veganerin werden würde, hätte ich mich kaum noch eingekriegt.

Beides hätte ich mir unter keinen Umständen vorstellen können. Ich bin in einer Familie aufgewachsen, die ohne mit der Wimper zu zucken 3-5x Fleisch am Tag essen konnte und ohne Milchprodukte und Eier verging ganz gewiss kein Tag. Zudem hat mein Vater bis heute jegliche Form von Gemüse, Salat und Früchten verweigert. Einzig die Rüebli im Rüeblikuchen hat er akzeptiert. Aber selbst Pommes ass er aus Prinzip nicht, weil die ja aus Kartoffeln und somit Gemüse (und Gott bewahre – im schlimmsten Fall sogar gesund) sind . Wenn ein Gericht mit etwas Schnittlauch garniert wurde, war es ihm schon zu grün und wurde verschmäht. Wir Kinder folgten diesem Beispiel.

Bis ich 15 Jahre alt war, ass ich kein Gemüse ausser den seltsamen runden Karotten aus der Dose (die Erbsen hingegen habe ich verschmäht 🙂 die hat mir jeweils meine Schwester abgenommen). Rückblickend gesehen ernährte ich mich katastrophal. Dementsprechend sah ich auch aus.Woher tierische Produkte stammten, wusste ich hingegen immer. Ich war kein naturfremdes Stadtkind, das Fleisch für etwas hält, das in Plastikcontainern im Supermarkt wuchs. Darauf war ich auch irgendwie stolz. Dass ein Tier nun mal geschlachtet werden musste, damit mein Schnitzel auf dem Teller landet, war mir bewusst. Was das wirklich bedeutet, habe ich aber verdrängt. Und alle, die damit ein Problem hatten, habe ich für schwach und verweichlicht gehalten.
Als Kind hatte ich sogar eine Phase lang den grössten Spass daran, meiner Schwester mit rohem Fleisch aus dem Kühlschrank hinterher zu rennen, wenn sie mich nervte. Sie ekelte sich nämlich vor allem, was darauf hinwies, dass ihr Essen mal eine lebendiges Tier war. Ich fand das total lächerlich und zog sie damit auf.

Auch woher unsere Milch stammt, wusste ich. Wir hatten schliesslich eine ganz tolle Milch-Woche in der Schule, wo wir den Weg von der Kuh zum Milchglas Schritt für Schritt vor Ort verfolgen konnten. Ich liebte diese Themenwoche und lernte mit viel Freude, wie die ganzen Prozesse in dieser Kette ablaufen. Dass da auch Männer darin vorkamen, die ihre Arme bis zum Anschlag in die Geschlechtsteile von Kühen steckten, um sie zu besamen, fand ich zwar etwas eklig für die armen Männer, aber ansonsten völlig normal. Die Kälber im eigenen Bereich fand ich einfach nur süss und das Füttern mit der Flasche zum dahinschmelzen.

Und Eier? Die waren die goldene Wunderwaffe meiner Oma, deren Kochkünste ich immer bewunderte. Das Geheimrezept all ihrer Backwaren? Immer 1 Ei mehr, als im Rezept steht. Und die Eier holte man natürlich vom Hof der Nachbarin. Der war zwar immer etwas suspekt und nicht richtig einsehbar. Aber die Eier waren toll und wurden immer in grossen 30er-Kartons von meinem Opa geholt und in allen möglichen Varianten verwertet und verzehrt. Dass es ganz schlimme Legebatterien mit gequälten Hühnern gibt, wusste man zwar aus dem Fernsehen, aber die hatten ja nichts mit UNSEREN Eiern zu tun.

Als junge Erwachsene habe ich dann zwar angefangen, etwas Gemüse zu essen, aber wenn ich ehrlich bin auch nicht gerade vielfältig und wenn dann nur als klitzekleine farbige Deko neben Fleisch und Sättigungsbeilagen. Wirklich gern hatte ich kaum etwas davon und meist hab ich es klein gehackt und unter die Beilagen gemischt. Vegetarier kam es kaum in meinem Umfeld. Veganer kannte ich nicht und hielt sie für völlig abgedrehte Extremisten. «Und die Rüebli isst du nur, wenn sie selbst aus der Erde springen, oder was?!» hätte ich einem Veganer wohl entgegnet, wenn ich einen getroffen hätte. Und auch für Vegetarier hatte ich kaum Verständnis. Ich habe zwar akzeptiert, dass sie kein Fleisch essen wollen. Aber wenn ein Vegetarier keine Fleischbrühe in seiner Suppe oder an seinem Gemüse haben wollte zum Beispiel, konnte ich dafür beim besten Willen kein Verständnis aufbringen. Ich habe genervt meine Augen verdreht wegen diesen komplizierten Menschen, die sich aber auch echt anstellen konnten.

Auch wenn ich es ungern zugebe: Ich war wohl die geballte Ignoranz und Überheblichkeit, die mich heute in anderen Menschen oft zum Verzweifeln bringt. Genau das, lässt mich aber auch unheimlich viel Verständnis aufbringen. Ich hab auch 30 Jahre lang, die Augen ganz fest zugekniffen. Eine wirklich ernsthafte Unterhaltung habe ich nämlich nie mit jemandem geführt, der vegan oder vegetarisch lebte. Ich hab das ehrlich gesagt auch eher vermieden und wenn, dann hätte ich wohl mit blöden Klischees argumentiert, die weder Hand noch Fuss haben und vielleicht auch gar nicht wirklich zugehört. Ich hätte auch niemals eine Doku über Nutztierhaltung geschaut. Davor hätte es mir gegraut. Denn das Fleischkonsum nicht so wirklich ethisch vertretbar ist, war mir ja schon irgendwie bewusst. Ich wollte halt einfach trotzdem auf meinen Genuss nicht verzichten. Also hab ich eine Mischung aus «bewusst weg sehen», «sich gar nicht so richtig damit auseinandersetzen» und «Gewissen beruhigen mit guter Haltung, etc.» betrieben. Dass ich damit weit weg von der Realität war, war mir wohl so iiiirgendwie immer bewusst. Mit dieser Diskrepanz lebte ich jedoch ganz gut. Das beschränkte sich aber lediglich auf Fleisch. Nie in meinem Leben hatte ich Skrupel, Milchprodukte zu konsumieren. Und Eier eigentlich auch nicht, ausser ich kaufte doch mal mit schlechtem Gewissen nicht-Freiland-Eier im Supermarkt.

Was um alles in der Welt muss passieren, um so einen Menschen umzustimmen? Uff… ganz schön viel. Und gleichzeitig irgendwie ganz wenig.Mehr dazu morgen im nächsten Teil.

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