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Wie der Fleischtiger zum Pflanzenfresser wurde – Teil 2

von Alex

Im ersten Teil hab ich euch ein paar Einblicke in meine Vergangenheit gewährt, auf die ich alles andere als Stolz bin.Es verging kaum ein Tag in meinem Leben, an dem ich kein Fleisch konsumiert habe. Ganz sicher keiner, an dem ich keine tierischen Produkte konsumiert habe. Dass das wirklich möglich ist, konnte ich mir nicht einmal vorstellen. Ich wollte es auch nicht. Veganer hielt ich für weltverbesserische Extremisten.

Was um alles in der Welt musste also passieren, um so einen Menschen wie mich umzustimmen? Uff… ganz schön viel. Und gleichzeitig irgendwie ganz wenig.Für mich gab es dieses eine Schlüsselerlebnis.

Als frischgebackene Mama hat man so einige Hürden zu bewältigen und befindet sich plötzlich mitten in einer Welt, die man vorher nie in ihrem gesamten Ausmass verstehen hätte können. In dem Moment, in dem man sein erstes Kind auf die Welt bringt, wird man gleichzeitig als Mutter neu geboren. Das mag jetzt unheimlich kitschig und dramatisch klingen. Aber ich glaube, man kann es nicht wirklich anders ausdrücken. Nichts kann einem darauf vorbereiten, wie sich plötzlich all seine Prioritäten verlagern und dieses klitzekleine Wesen plötzlich der Mittelpunkt der Welt ist. Man übernimmt die wohl grösste Verantwortung, die man je in seinem Leben tragen wird – nämlich die für ein Lebewesen. Als Mutter/Eltern hat man für die Grundbedürfnisse dieses kleinen Wesens zu sorgen. In erster Linie sind das Nahrung, Nähe und Sauberkeit.

Mir war immer klar, dass ich meine Tochter stillen will. Wie viel Zeit dies in Anspruch nimmt, hatte ich mir jedoch nicht ausgemalt. Während man in der ersten Zeit noch locker 8-10 Stunden täglich nur mit Stillen verbringt, wird dies zwar rasch weniger, aber es gibt da dieses unbeschreiblich schön zu beobachtende Stillkoma. Diese völlig glückselig und ruhig schlafenden Winzlinge, die sich in Mamas Arm kuscheln oder alle Viere von sich strecken und mit den letzten Tropfen Milch an der Lippe hängend völlig ausgeknockt da liegen. Ich habe es meistens nicht geschafft, meine Tochter in diesem Zustand abzulegen. Nicht weil sie aufgewacht wäre, aber weil diese Momente so unheimlich kraftspendend und kostbar sind. So hab ich viel Zeit mit meiner schlafenden Tochter im Arm verbracht.In der heutigen Zeit, wo das Handy (leider) immer griffbereit liegt, habe ich damals immer wieder auch mal die Zeit genutzt, um online ein paar Dinge zu recherchieren, oder mir eine kleine Auszeit zu gönnen.

An diesem einen Tag, als ich genau so mit meinem kleinen Milchmonster im Arm auf dem Sofa sass und wartete, bis sie aus ihrer komatösen Glückseligkeit aufwachte, hatte es mich auf die Facebookseite einer Mamigruppe verschlagen. Beim durchscrollen fiel mein Blick auf einen Beitrag einer Mama dort, die sich darüber beklagte, dass sie auf dem Land lebe und seit Tagen nicht mehr schlafen kann, wegen der Kuhweide neben ihrem Haus. Meine erste Reaktion war eindeutig. Ich rollte mit den Augen, schnaubte verständnislos und dachte mir nur «Willkommen im Landleben, du Nuss. Hier gibt es nun mal Kühe, die haben oft Glocken und manchmal muhen sie. Aber die braucht es halt, damit du deine Milch geniessen kannst. Oder bist du etwa in der Stadt aufgewachsen und denkst, die wächst im Supermarkt im Kühlregal?». Ich hab aber zum Glück weiter gelesen. Die Mutter hat dann nämlich erklärt, dass es nicht um Glocken und nicht um Muhen geht. Sondern um Kühe, die Tag und Nacht immer wieder schreien. Und zwar so, dass es ihr die Haare zu Berge stelle. Es sei kein Muhen, es sei ganz eindeutig ein anderes Geräusch und sie habe sich Sorgen um die Tiere gemacht. Beim nächsten Spaziergang hätte sie den Bauern getroffen und ihn gefragt, ob etwas mit den Tieren nicht stimme, ob sie krank sind. Der Bauer winkte nur ab und meinte «ach nein, da haben nur viele gerade Kälber bekommen, und die haben wir dann halt geholt und jetzt schreien sie halt ein paar Tage nach ihnen, aber das legt sich bald». Er drehte sich um und liess die völlig verdutzte Frau einfach stehen. Auf Facebook hat sie dann von ihrem Erlebnis berichtet und geschildert, dass sie sich wie vom Zug überfahren fühlte, weil ihr nie bewusst war, dass Kälber nach der Geburt von ihren Müttern getrennt werden.
So ähnlich sass auch ich vor meinem Handy. Auf der einen Seite schlief mein kleines Bündel Glück seelenruhig in meinem Arm. Und auf der anderen Seite starrte ich auf meinen Handybildschirm und schämte mich dafür, dass mir das erst jetzt bewusst wurde. Irgendwie fiel mir in diesem Moment alles wie Schuppen von den Augen. Ich hatte mein Leben lang diese kleinen weissen Plastikiglus gesehen, die oft für Kälber nach der Geburt verwendet werden. Aber ich hab nie begriffen, was sie bedeuteten. Ich hab gesehen, wie die Kälber mit Flaschen gefüttert wurden, aber ich fand es damals einfach nur süss und dachte mir nichts dabei. Ich hab mir nie überlegt, dass eine Kuh eigentlich nur Milch gibt, weil sie Mutter geworden ist und ihr Kind ernähren möchte. Aber da sass ich jetzt, selbst Mutter und MEIN Baby mit MEINER Milch ernährend. Und erst in diesem Moment wurde mir klar, was wir diesen Müttern mit unserem Handeln antun.

Das riss mir irgendwie komplett den Boden unter den Füssen weg. Bei Fleisch hatte ich bewusst nicht richtig hingesehen. Aber Milch hielt ich immer für absolut unproblematisch und tierlieb. Immerhin wuchs ich auf dem Land auf und hab mein Leben lang Kühe friedlich auf weiden stehen gesehen. Und da sass ich nun und mir blieb die Spucke weg. Dabei hab ich eigentlich nichts neues erfahren. Ich konnte es nur jetzt erst richtig einordnen. Nicht der Arme Mann, der seinen Arm bis zur Schulter in eine Kuh stecken musste, um sie zu besamen, war der leidtragende. Immerhin wurde da gerade eine Kuh zwangsbefruchtet. Also auf gut deutsch vergewaltigt und missbraucht. Gegen ihren Willen geschwängert. Wenn ein Tierschänder ähnliches tut, ist das Geschrei gross und es wird nach harten Strafen verlangt. Wenn es der Besamer ist, werden der Kuh aber jegliche Rechte abgesprochen. Dabei entsteht da sogar ein Kind, das sie in ihrem eigenen Körper ca. 9 Monate lang heranwachsen lässt. Sie spürt seine Bewegungen, ernährt es, beschützt es. Sie spürt, dass da etwas in ihr gedeiht. Auch wenn sie vielleicht kognitiv kein so grosses Verständnis von allen Prozessen hat, wie wir Menschen – sie ist dennoch Mutter und spürt ihr Kind. Dann bringt sie es zur Welt und vollbringt damit eine körperliche Meisterleistung, die jede Mutter nur allzu gut nachvollziehen kann. Und da liegt es dann, ihr neugeborenes Baby. Sie will sich um es kümmern, es sauber lecken und umsorgen. Und kaum kann sie es wirklich auf dieser Welt begrüssen, kommen Menschen und zerren es von ihr weg. Was das für eine Mutter bedeutet – ob Mensch oder Tier – will ich mir gar nicht ausmalen.
Das Kalb kommt in sein Iglu oder eine Box. Es bekommt seine Mutter in den meisten Fällen nie mehr zu sehen und ist von Geburt an allein auf dieser Welt. Es kriegt in den meisten Fällen auch nicht die Milch seiner Mutter, sondern Pulver. Und selbst wenn es die Milch seiner Mutter kriegt, wird es so schnell wie möglich «abgestillt», damit die Produktion gewinnbringend laufen kann. Die Kuh hingegen, wird fleissig gemolken, um die Milchproduktion im Schuss zu halten. Das Euter entzündet sich dabei nicht selten. Jede Mama, die einmal eine Brustentzündung hatte, kann auch diese Schmerzen lebhaft nachvollziehen. Ihr Kalb ist dabei lediglich ein Nebenprodukt. Es ist notwendig, damit die Kuh Milch gibt. Sobald es auf der Welt ist, ist es jedoch überflüssig. Logischerweise werden die meisten davon folglich schon nach kurzer Zeit geschlachtet.

Was da alles in meinem geliebten Glas Milch steckt habe ich immer GEwusst
und doch war es mir nie BEwusst.

Es wurde mir so blumig schön und selbstverständlich vermittelt, dass ich es immer für richtig und normal hielt. Sogar für gut. Und plötzlich sass ich da und begriff, was ich eigentlich immer schon wissen hätte müssen.

Den inneren Zwiespalt, den dies hervorrief, konnte ich bald nicht mehr ertragen. Aber ich wusste auch, dass ich nicht einfach auf Milchprodukte verzichten konnte, um mein Gewissen zu beruhigen. Ich konnte mich nicht gegen die Milchindustrie aussprechen und auf deren Produkte verzichten, wenn ich gleichzeitig das Kalbsschnitzel aus dem Kälbli-Nebenprodukt weiterhin genoss. Und auch bei Eiern musste ich dann folglich genau hinsehen. Und auch da fiel mir einiges wie Schuppen von den Augen. Es gab nur eine logische Konsequenz. Wenn ich verhindern wollte, diese Industrie zu fördern, musste ich meine Ernährung komplett umstellen und vegan leben.

Diese Erkenntnis löste etwas in mir aus, was ich nicht erwartet hätte: Angst. Genau genommen eigentlich fast schon Panik. Ich war mit dieser Vorstellung einfach masslos überfordert. Ich war so geprägt von tierischem Konsum, dass ich kaum gewusst hätte, was ich veganen Gästen hätte auftischen können. Und da ging es immerhin nur um eine einzige Mahlzeit. Aber jeden Tag? Für den Rest meines Lebens? Und nicht zuletzt musste ich mich ja auch gegen meine bisherige Haltung entscheiden. Ein Teil meiner Identität. Und auch gegen die Überzeugungen meines kompletten Umfelds.

Oh ja… das machte mir Angst… und wie! Könnte ich das überhaupt? Und wie sollte ich das denn um Himmels willen anstellen? Ich wusste es nicht, aber ich spürte immer mehr, dass ich es probieren musste. Nicht zuletzt, weil da ja auch noch meine Tochter war, der ich ein Vorbild sein möchte. Was würde ich ihr denn erklären, wenn sie mir irgendwann solche Fragen stellen würde? Wie könnte ich all das rechtfertigen? Ich konnte es nicht. Und so musste ich handeln. Kurz vor meinem 30. Geburtstag begann ich, mich zu informieren und vorzubereiten. Gleichzeitig hatte ich aber zu meinem Geburtstag schon längst zur grossen Grillparty eingeladen. Ich beschloss, das so zu belassen und dieses eine Fest nochmals so zu feiern, wie ich es seit Jahren am liebsten Tat: Mit einer grossen Ladung Grillfleisch und einem riesigen Buffet aus Beilagen. Es sollte sowas wie mein letztes Mahl in diesem alten Leben werden. Und gleichzeitig habe ich mich doch nicht getraut, von heute auf Morgen einen endgültigen Schnitt zu ziehen. Ich habe mir also meinen eigenen kleinen Ausweg geschaffen und mit mir selbst eine 30 Tage Challenge vereinbart. Das schien mir irgendwie machbar. Mal auszuprobieren, wie das für mich sein würde. Und wenn ich es nicht durchhalte, könnte ich immer noch nach 30 Tagen aussteigen, ohne mein Gesicht zu verlieren.

Und dann kam der Tag, an dem ich einfach umstellte. Eine 180° Kehrtwende ohne Vorlaufzeit. Immer noch nervös und unsicher, wegen allem, was da auf mich zukommen mag. Dass einem eine Ernährungsumstellung so viel Angst und Sorgen bereiten könnte, hätte ich nie gedacht. Aber dennoch war ich mir in meinem Entschluss auch sehr sicher. Und dann wartete ich auf die Versuchungen, auf die Hürden und Probleme, auf die Tiefpunkte und Herausforderungen. Und sie kamen nicht. Zumindest nicht Zuhause, wo ich für mich selbst meine Entscheidung einfach leben konnte. Noch nie in meinem Leben konnte ich diszipliniert essen oder eine Diät durchhalten. Als absoluter Genussmensch war ich ein Leben lang an der Grenze zum Übergewicht und überschritt sie auch phasenweise. Aber als Veganerin hatte ich nie das Bedürfnis, zu cheaten. Nie das Bedürfnis, doch ein Steak zu bestellen oder ein Glas Milch zu trinken. Und wenn, dann nur für 2 Sekunden und aus reiner Gewohnheit, bevor mir all die vielen Gründe einfielen, wieso ich das gar nicht wollte. Ich war nicht disziplinierter geworden. Ich hatte eine völlig neue Motivation. Es war nie so, dass ich etwas nicht essen DURFTE. Ich WOLLTE es nicht und ich hatte gute Gründe dazu. Schwer gefallen ist mir das nie. Nur mit meinem Umfeld stiess ich immer wieder auf Probleme. Auf viel Verständnis bin ich nicht gestossen. Und auch wenn sich die meisten Menschen Mühe geben «mich machen zu lassen». Spüre ich die ablehnende Haltung meiner Ernährung gegenüber fast täglich. Dumme Kommentare sind da natürlich immer mal wieder inklusive und zudem stehe ich seither auch noch rundherum unter genauster Beobachtung. Einmal Husten oder Niessen und schon ist klar «das hast du dir mit deiner Ernährung selbst zuzuschreiben!». Da ich mich das erste Mal in meinem Leben wirklich fit fühle und trotz Mutterschaft deutlich abgenommen habe und nun endlich ein normales, gesundes Gewicht haben und halten darf, werden mir zudem diverse Essstörungen nachgesagt. Und bei uns auf dem Land ein Restaurant zu besuchen, macht als Veganerin in den meisten Fällen auch keinen Spass. Hürden gab es also sicherlich genug. Aber alle kamen lediglich von aussen.

Darum war mit all das auch herzlich egal. Es ging mir so gut, wie noch nie in meinem Leben. Ich fühlte mich befreit und fit. Und das Bewusstsein, dass kein Tier wegen meiner Nahrung leiden musste, fühlte sich einfach nur richtig und befreiend an. Die 30 Tage waren entgegen all meinen Erwartungen überhaupt kein Problem. Ich informierte mich immer weiter und neben den ethischen Aspekten kamen plötzlich viele weitere Gründe für Veganismus für mich hinzu. Würde ich alle davon aufzählen, müsste aus diesem Text wohl ein Buch werden. Am Ende der 30 Tage gab es keinen einzigen Grund, wieder in meine alten Muster zurück zu kehren. Auch heute, nach 1.5 Jahren, hat sich daran nichts geändert. Mein altes Ich hätte davon rein garnichts gehalten.

Liebe Alex von vor ein paar Jahren, ich weiss, du hattest noch nicht die Erfahrung und noch nicht den Mut, um genauer hin zu sehen. Ich fände es wahrscheinlich ganz furchtbar, wenn ich dir heute begegnen müsste. Diese Ignoranz und Überheblichkeit wäre einfach echt anstrengend. Aber ich bin dir auch unheimlich dankbar, dass du irgendwann den Mut hattest hin zu sehen, deinem Herzen zu folgen und dich weiter zu entwickeln.

Trotz allem fühlt es sich für mich nicht richtig an, zu missionieren. Nicht weil es mir nicht wichtig wäre. Nicht weil ich nicht der Meinung wäre, dass es mehr Veganer auf dieser Welt geben sollte (den Tieren, der Umwelt und der menschlichen Gesundheit zuliebe). Aber weil ich ganz genau weiss, wie ich selbst darauf mit absoluter Abwehrhaltung reagiert hätte. Ich diskutiere gerne über alle Aspekte mit jedem, der sich wirklich interessiert und in einen respektvollen Dialog mit mir treten möchte. Aber ich versuche Veganismus von mir aus so selten wie möglich zum Thema zu machen. Zum einen sicherlich auch aus Angst vor negativen Reaktionen, zum anderen, weil ich der Meinung bin, es bringt nichts. Mein prä-veganes Ich zumindest, hätte es nicht gejuckt.

Mein Weg ist deshalb ein anderer: Ich möchte einfach zeigen, wie einfach, wie lecker und wie abwechslungsreich Veganismus sein kann. Darum habe ich mein Instagram-Profil gegründet, wo es viel Food-Inspiration aus unserem täglichen Leben gibt. Und nun gibt es auch diesen Blog, wo ich meine Rezepte mit euch teilen kann.

Dennoch möchte ich aber den Blog auch nutzen, um ab und zu über das eine oder andere Thema rund um Veganismus zu schreiben. Wer sich interessiert, darf dort jederzeit stöbern. Und ansonsten seid ihr herzlich dazu eingeladen, einfach durch die Rezepte oder mein Instagram-Profil zu stöbern.

xoxo

Alex

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