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Die Step-by-Step-Taktik und ihre Tücken

von Alex

Jeder Schritt in die richtige Richtung ist wertvoll! Das ist immer meine Antwort, wenn jemand mir Dinge sagt, wie „ich versuche weniger Fleisch zu essen“ oder „ich will Schritt für Schritt immer mehr tierische Produkte weg lassen“. Und das meine ich auch aus vollem Herzen! Jedes tierische Produkt, das nicht konsumiert wird, ist in meinen Augen ein Fortschritt. Und ob 10 Menschen je 10% weniger Fleisch essen oder nur einer 100% weniger, hat für die Tiere und unsere Umwelt genau den selben Effekt.

Es klingt ja auch völlig logisch. Viele kleine Schritte sind nunmal einfacher als ein grosser. Soweit so gut. Da kann ich zustimmen. Aber gibt es auch Situationen, in denen viele kleine Schritte schwieriger sein können?

Für mich war immer klar, dass ich von einem Tag auf den anderen meine Ernährung umstellen muss. Das war für mich gefühlt der richtige Weg. Ich hab mir aber nie Gedanken darüber gemacht, wieso das so war. Und ich hab auch nie einen anderen Weg deshalb abgewertet. Jeder Mensch ist anders. Hat andere Bedürfnisse und Vorlieben und kommt mit anderen Strategien klar.

Allerdings habe ich in letzter Zeit immer wieder über meine eigene Umstellung nachgedacht und dabei ist mir etwas aufgefallen, was mir bisher nicht richtig bewusst war. Und das möchte ich gerne mit euch teilen.

Zwischen meinem „Aha-Moment“ und meiner Umstellung lagen ca. 2-3 Wochen. Und wenn ich so zurück blicke, wird mir bewusst, wie belastend diese Zeit war. Ich war irgendwie orientierungslos. Wusste, dass ich meine Ernährung umstellen möchte, habe den Start aber wegen meinem 30 Geburtstag und meinem geplanten Grillfest hinaus geschoben. Und irgendwie habe ich in dieser Zeit einerseits versucht, mich zu informieren und vorzubereiten, andererseits aber auch den Konsum tierischer Produkte bereits etwas zu reduzieren. Schritt für Schritt eben. Die Folge davon war eine konstante Dissonanz. Denn ich wollte ja eigentlich von meinem Herzen und Verstand her weniger konsumieren bzw. umstellen. Und dennoch habe ich weiterhin auch tierische Produkte konsumiert. Rückblickend war es eine Zeit des ständigen Rechtfertigen vor meinem inneren Moralapostel, des Augen-zu-Kneifens und des irgendwie unguten Gefühls.

Heute verstehe ich das. Durch den Mittelweg, beziehungsweise das Aufschieben meiner Umstellung, musste ich einen Kompromiss finden. Das hinderte mich daran, mich wirklich mit allen Argumenten, Problemen und harten Wahrheiten auseinander zu setzen. Ich konnte die Grausamkeit der Nutztierhaltung nicht zu 100% an mich heran lassen. Sonst hätte ich ja nicht weiterhin hier und da tierische Produkte konsumieren können. Ich musste das ja irgendwie vertreten können.

Let’s be honest: Diäten und Verzicht sind echt uncool.

oder nicht?


Dass ich mich nicht getraut habe wirklich hin zu sehen und hin zu fühlen, hat aber wiederum dazu geführt, dass es mich auch sehr viel Durchhaltewillen gekostet hat, weniger tierische Produkte zu konsumieren. Es war ein „ich sollte nicht“ und kein „ich will nicht“. Eine Art Diät und Verzicht. Und – let’s be honest: Diäten und Verzicht sind echt uncool.

Umso mehr Angst hatte ich dann wahrscheinlich auch vor der wirklichen Umstellung. Wie sollte ich das denn schaffen? Wenn dieses „immer etwas weniger“ schon so schwer ist? Puh… ich kann nicht oft genug sagen, wie viel Mut mich diese Entscheidung dann gekostet hat. In erster Linie vor allem, weil ich Angst hatte zu versagen. Sozial, aber auch vor mir selbst. Denn was sollte ich denn bloss machen, wenn ich all diese Dinge nicht essen wollte, aber dennoch nicht schaffte, darauf zu verzichten?

Augen zu? Und durch?

Was dann kam hätte ich niemals erwartet. Es war plötzlich einfach alles einfach. Es hat sich gewissermassen einfach alles gefügt. Ich hab mich frei gefühlt. Frei von dieser Dissonanz. Und ich musste plötzlich nicht mehr verzichten, obwohl es nun viel mehr gab, das ich nicht mehr essen wollte.

Ich hab mir damals aber keine Gedanken über diese „Zwischenphase“ davor gemacht. Ich hab ihr nie Bedeutung zugemessen und sie irgendwie vergessen. Aber in den letzten Wochen ist mir ganz bewusst geworden, dass diese Zwischenphase sozusagen meine Zeit der „Step-By-Step-Technik“ war. Und mir wurde bewusst, dass es keine schöne Zeit war.

Das war meine Erfahrung. Sie muss nicht für dich stimmen. Es gibt Menschen, die fahren sehr gut damit, Stück für Stück gewisse Lebensmittel wegzulassen, um an ihr persönliches Ziel zu kommen und wären mit einer „radikalen“ Umstellung überfordert. Das kann ich nachvollziehen.

Aber ich möchte dir folgenden Gedanken hier lassen:

Manchmal fühlen sich kleine Schritte schwer an. Nicht weil das Ziel so schwer erreichbar ist. Sondern weil der Weg voller kleiner, spitzer Steine ist, die man mit einem grossen Schritt einfacher überwinden könnte.

deine Alex

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